„… tierisch … – Malerei und Grafik von Günther Rechn“

Vielleicht dachten Sie, als Sie den Titel der Ausstellung lasen, „Tiere? Nun ja, schau‘n wir mal. Vielleicht wollen die Kinder ja mit …“. Doch nicht so schnell mit dem Urteil! Denn was Sie hier erwartet, ist kein Tierparkbesuch, keine lexikonartige Aneinanderreihung von Vierbeinern und Federvieh, keine Welt, die sich sofort greifen lässt. Das bemerken Sie nicht nur, wenn Sie diesen Katalog durchblättern und sich „festsehen“. Die Exposition in den schönen Räumen des Gutes Geisendorf präsentiert eine erlesene Auswahl an Arbeiten des Malers und Grafikers Günther Rechn, die Sie zweifellos gefangen nehmen werden. Die Bilder üben einen Sog aus, Sie fühlen sich berührt und werden versuchen, das Geheimnis dahinter zu lüften.

Abgesehen von der Tatsache, dass wir es hier nicht mit gewöhnlichen Tierbildern, sondern nahezu Porträts von Individuen und hintergründigen Darstellungen zu tun haben, wird der Bogen weiter gespannt, als der erste Eindruck vermuten lässt. So gibt es Zwischenmenschliches, was durch Tierisches ironisch kommentiert wird, es gibt Mythologisches, was mit Mischwesen archaische Welten streift, es gibt Kampf und Liebe, Ruhe und Aufbruch.
„Und könnten die Tiere reden, was würden sie sagen?“, schrieb der Schweizer Schriftsteller Jakob Bosshart. Es gibt hunderte von Publikationen zum Wesen des Tieres, zur Körpersprache, die wie ein Code zu lesen ist, zur Kommunikation zwischen Mensch und Tier. Günther Rechn übersetzt uns manches davon. Er kehrt das augenblickliche Empfinden eines Tieres heraus, macht es lesbar, überzeichnet es hier und da, so dass es noch deutlicher wird. Er blickt zuweilen amüsiert darauf, ohne sich lustig zu machen, ohne ein Klischee zu bedienen oder in Verklärung zu verfallen. Es gibt nichts Plakatives – im Gegenteil: wir erleben einen lebendigen Realismus, nicht selten verpackt in kleine Geschichten oder durch einen narrativ komponierten und doch zurückhaltenden Raum. Wer den Maler kennt, weiß ohnehin, dass er nicht an der Oberfläche kratzt. Seine Bilder, ob Tiere, Stilleben, Menschen oder Landschaften, atmen und sind voller Energie. Er ist ein Meister der Zwischentöne und der Zeichenkunst. Es gelingt ihm, das gesamte Wesen eines Tieres mit einer einzigen Bewegung, einem vielsagenden Blick, mittels Komposition und Farbe nach außen zu kehren. Er nimmt sie ernst, diese Tiere, ist zeitlebens fasziniert von der Kunst dieser Natur, studierte und zeichnete sie unentwegt. Jede Linie sitzt, die Farbräume sind mit Bedacht ausgewählt, die Perspektive ist oft unkonventionell, provokant. Eine vollendete Dramaturgie!

© Maike Rößiger, Kunsthistorikerin